Donnerstag, 31. März 2016

2. QUARTALSBERICHT

Halbzeit
Es wird Zeit, meine zweite Zahnbürste wegzuwerfen. Jetzt sind nur noch zwei über, und das letzte halbe Jahr verging schon verdammt schnell.
Diesen Quartalsbericht werde ich der Übersicht halber (und um mich nicht zu wiederholen) aufteilen. Wer also nichts über Politik oder Urlaub lesen will, kann den Teil gerne überspringen. :-)

Zuerst die Arbeit, ...
Nachdem der letzte Rundbrief geschrieben wurde, waren erst einmal drei Wochen holiday programme. Das heißt, jeden Morgen Kinder einsammeln und eine halbe Stunde durch die Morgenhitze laufen, nachmittags dann wieder durch die Hitze zurück. Klingt anstrengend, ist es auch. Das letzte holiday programme durften ein paar von uns mitgestalten und so haben wir beispielsweise Planschbecken ins Programm eingebaut, deutsche Spiele oder einige Gruppen, in denen wir für einen Talentwettbewerb geübt haben.
Das neue Jahr bei Akanani fing auch mit einem neuen Chef an. Unser Coordinator Wayne ist ein weißer Mann Mitte zwanzig, der mit Glatze, Vollbart, Ringen und AC/DC T-Shirts wie ein Rocker aussieht. Er ist aber das genaue Gegenteil - nämlich Pastor. Ziemlich cool. Und wir haben wesentlich mehr Arbeit als letztes Jahr. Unter anderem bekommen wir eine monatliche Spende aus Deutschland, um den Outreach auszubauen. Jeden Donnerstag gehen wir also einkaufen, um anschließend den Tag in der Küche zu verbringen und für so viele Leute zu kochen wie möglich.
Und zwar kein deutsches Essen, sondern südafrikanisches: Pap mit Hühnerfüßen, Innereien die erst "gereiningt" werden müssen (das klingt bei Weitem nicht so eklig, wie es wirklich ist), Hühnerhälse und Gemüse. Anfangs war es ungewohnt, so ein Essen zu kochen, aber uns wurde viel gezeigt und mittlerweile können wir auch mit traditionellen Dingen ohne fremde Hilfe Leute begeistern. Mehrmals wurden wir schon gelobt, uns überhaupt an einen 30-Liter-Topf Pap zu wagen, und das Ergebnis wird immer besser.
Außerdem haben wir nun auch administrative Arbeit zu erledigen. Erst vor kurzem haben wir eine Website für das Homelessness Forum, ein Zusammenschluss aus mehreren sozialen Organisationen, erstellt. Zur Zeit aktualisieren wir ein Register, in dem alle Anlaufstellen für Obdachlose, misshandelte Frauen oder Kinder in Pretoria aufgezeichnet sind.
Ein anderes Projekt hat direkt mit den Obdachlosen zu tun: Schach spielen. Mindestens zweimal die Woche setzen wir uns mit interessierten Männern zusammen und spielen Schach. Ich glaube, die Abwechslung tut ihnen gut, einige bleiben bis mittags bei uns sitzen und wollen ein Spiel nach dem anderen spielen.
Beim Homework Center bin ich nur noch zweimal die Woche, da Frieda und ich uns die Tage aufgeteilt haben. Mittlerweile sind offiziell 11 Kinder eingetragen, meist sind aber nur 7-8 wirklich da. Bei einigen kann man wirklich sehen, wie sie sich verändern und sich vor jüngeren Kindern, die noch nicht so lange da sind, sehr reif und vorbildlich benehmen, obwohl sie letztes Jahr nur Radau gemacht haben. Den Prozess zu verfolgen ist wirklich interessant und letzten Endes macht mir das
Homework Center trotz aller Anstrengungen Spaß. 
 
... dann das Vergnügen!
Urlaaaaub! Kaum zu fassen, dass der Urlaub schon wieder zwei Monate her ist. Wir sind mit dem Bus nach Kapstadt, haben dort ein paar Tage verbracht und sind dann die Garden Route bis nach Port Elizabeth gefahren, also praktisch die Südküste lang. Es ist echt unglaublich, wie sehr sich dieser Teil von Südafrika von "unserem" Pretoria unterscheidet. Sehr weiß, sehr touristisch, aber ebenfalls sehr schöne Landschaft! Und natürlich musste ich auch ein paar Touridinge mitnehmen.
Unter anderem mein Geburtstagsgeschenk der WG: der welthöchste Bungeejump von einer Brücke! Etwa nach der Hälfte des Urlaubs war es soweit. Adrenalin pur! Runter ist für mich also gar kein Problem - rauf schon, wie ich bei meinem 4 stündigen Anstieg auf den Tafelberg gemerkt habe. Wandern macht echt Spaß. Eigentlich. Nicht, wenn man Stufen hochkraxelt, die einem fast bis zur Hüfte gehen und einem die Sonne morgens um halb 8 mit 35 Grad auf den Kopf knallt. Oben angekommen war es schön, aber ab jetzt werde ich mir zweimal überlegen, ob ich einen Berg besteige und wenn, welchen Weg. Es gibt nämlich schönere den Tafelberg hoch, die auch
Schatten bieten oder einen Damm zum baden.Trotz des wunderschönen Urlaubs, in dem wir auch die weltbeste Tomatensuppe in Knysna gegessen haben, war ich froh, wieder Zuhause zu sein. Das Meer vermisse ich aber doch, habe ich gemerkt.
Es war angenehm, eine Auszeit zu haben und einen komplett anderen Teil von Südafrika zu sehen. In fast jeder Hinsicht ist die Garden Route so gar nicht das, was wir von hier kennen, und nach zwei Wochen war mir klar, dass ich unsere Perspektive auf das Land für dieses Jahr eindeutig lieber habe.

Kommen wir zu meinem Lieblingsteil: Die Politik!
Die letzen Wochen hat sich hier einiges getan. Studenten im ganzen Land gehen auf die Straße, um gegen die horrend hohen Studiengebühren zu protestieren. Bei den Union Buildings in Pretoria war eine riesige Demo, die auch Zuma besuchen wollte. Als der Präsident trotz seines Versprechens nicht aufgetaucht ist, gab es Randale: Dixiklos wurden angezündet, Leute mit Steinen beworfen, Rassisten haben ihre Meinung verkündet.
Auch Zuma ist noch mehr in Kritik geraten als sowieso schon: von mehreren Millionen Rand Steuergeldern hat er seine privaten Sicherheitsvorkehrungen verbessert und sich einen riesigen Pool bauen lassen. Als er mit seinem Finanzminister nicht mehr zufrieden war, hat er ihn gefeuert
und einen neuen eingestellt. Wenig später noch einen. Und noch einen. Drei Finanzminister innerhalb einer Woche wurden ersetzt. Einer war unfähig, der nächste hat Zuma kritisiert. Der Rand stand zwischenzeitlich bei 20. Zum Vergleich: vor wenigen Jahren hat man für einen Euro R9-10 bekommen, als wir ankamen R14-15. Also wird auch alles in den Supermärkten etwas teurer, was sich ein Großteil der Bevölkerung einfach nicht leisten kann.
Erst vor Kurzem haben wir wieder eine Demonstration mitbekommen, die Zuma propagiert. Hunderte Menschen mit gelben Shirts, die "Hands off Zuma" verlangen, tanzen zu Musik, singen und reißen immer mehr Passanten mit sich. Einige Leute, mit denen ich gesprochen habe, unterstützen Zuma nicht und laufen auch in der Demo nicht mit, singen und tanzen aber trotzdem, wenn andere vorbeikommen, einfach nur aus Spaß an der Musik. Im Nachhinein wurde mir gesagt, dass viele Demonstranten gekauft wurden, um Stimmung zu machen.
Bei den nächsten Wahlen stehen die Chancen gut, dass Zuma weniger Stimmen bekommt als vorher, aber es gibt leider keine vernünftige Alternative, die zur Wahl steht. Es bleibt also nur, das kleinere Übel zu wählen.

Das vorerst letzte Thema: Freizeit.
Meistens bin ich nach der Arbeit froh, nach Hause zu kommen und nichts mehr tun zu müssen. Das Klima sorgt zusätzlich dafür, dass man nicht sehr motiviert ist, irgendwelche großen Sachen zu tun, also bleibt es unter der Woche meist beim Einkaufen, kochen und ab und zu ins Kino gehen. Dazu kommt, dass es im Central nicht wirklich die Möglichkeit gibt, ein Hobby anzufangen, also müsste man regelmäßig umständlich irgendwo hinfahren und dazu habe ich mit zweimal die
Woche abendlicher Arbeit keine Zeit.
Wir haben aber mittlerweile einige Leute kennengelernt, mit denen wir am Wochenende was unternehmen. Wir erkunden weiterhin verschiedene Bars und Clubs, planen aber auch Besuche bei oder von anderen Freiwilligen. Ich nehme mir auch vor, mehr Aktivitäten am Wochenende zu machen, aber dazu ist es meist zu heiß.
Außerdem wurden wir von einem Kollegen zum Cricket mitgenommen. Wir haben Arno 7 Stunden lang zugesehen, wie er eine der hier populärsten Sportarten ausführt, und waren uns einig, nächstes Mal lieber zu einem Rugbyspiel zu gehen. Sieben Stunden haben wir weiß angezogenen Afrikaanern (also den Weißen) mit Bügelfalte in der Hose zugesehen, wie sie ab und zu einen Ball übers Feld schlagen. Ein paar andere waren in der gleichen Zeit bei einem Rugbyspiel und waren hellauf begeistert; das ist dann mein Ziel für die nächste Sportart, die ich mir ansehe.


Nach einem halben Jahr, in dem einiges zur Routine geworden ist, kann ich ruhigen Gewissens sagen, nichts zu bereuen. Ich habe das Land lieben gelernt, auf seine ganz eigene Weise, und Deutschland kommt mir weit weg vor. Ist es auch, aber auch vom mentalen her ist die Vorstellung im Moment schwer, in einem halben Jahr wieder abzureisen und ins kalte, regnerische, steife Deutschland zurückzukehren. Es ist hier einfach komplett anders, und das genieße ich. Fremde Kulturen, ein paar Brocken fremder Sprachen lernen und weit weg vom deutschen Alltag zu sein bestärkt mich auch immer mehr in meiner Entscheidung für mein späteres Leben, Medizin zu
studieren.
Ich freue mich auf die nächsten sechs Monate, die wahrscheinlich ebenso wie die letzen wie im Flug vorbeigehen werden.
Wir haben hier übrigens immer noch Mitte dreißig Grad.

Liebe Grüße ins immer noch kalte Deutschland!

Theresa


(Die Bilder kann ich im Moment nicht einfügen, das Internet ist nicht gut genug - später!)

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