Halbzeit
Es wird Zeit, meine zweite
Zahnbürste wegzuwerfen. Jetzt sind nur noch zwei über, und das
letzte halbe Jahr verging schon verdammt schnell.
Diesen Quartalsbericht
werde ich der Übersicht halber (und um mich nicht zu wiederholen)
aufteilen. Wer also nichts über Politik oder Urlaub lesen will, kann
den Teil gerne überspringen. :-)
Zuerst die Arbeit, ...
Nachdem der letzte
Rundbrief geschrieben wurde, waren erst einmal drei Wochen holiday
programme. Das heißt, jeden Morgen Kinder einsammeln und eine halbe
Stunde durch die Morgenhitze laufen, nachmittags dann wieder durch
die Hitze zurück. Klingt anstrengend, ist es auch. Das letzte
holiday programme durften ein paar von uns mitgestalten und so haben
wir beispielsweise Planschbecken ins Programm eingebaut, deutsche
Spiele oder einige Gruppen, in denen wir für einen Talentwettbewerb
geübt haben.
Das neue Jahr bei Akanani
fing auch mit einem neuen Chef an. Unser Coordinator Wayne ist ein
weißer Mann Mitte zwanzig, der mit Glatze, Vollbart, Ringen und
AC/DC T-Shirts wie ein Rocker aussieht. Er ist aber das genaue
Gegenteil - nämlich Pastor. Ziemlich cool. Und wir haben wesentlich
mehr Arbeit als letztes Jahr. Unter anderem bekommen wir eine
monatliche Spende aus Deutschland, um den Outreach auszubauen. Jeden
Donnerstag gehen wir also einkaufen, um anschließend den Tag in der
Küche zu verbringen und für so viele Leute zu kochen wie möglich.
Und zwar kein deutsches
Essen, sondern südafrikanisches: Pap mit Hühnerfüßen, Innereien
die erst "gereiningt" werden müssen (das klingt bei Weitem
nicht so eklig, wie es wirklich ist), Hühnerhälse und Gemüse.
Anfangs war es ungewohnt, so ein Essen zu kochen, aber uns wurde viel
gezeigt und mittlerweile können wir auch mit traditionellen Dingen
ohne fremde Hilfe Leute begeistern. Mehrmals wurden wir schon gelobt,
uns überhaupt an einen 30-Liter-Topf Pap zu wagen, und das Ergebnis
wird immer besser.
Außerdem haben wir nun
auch administrative Arbeit zu erledigen. Erst vor kurzem haben wir
eine Website für das Homelessness Forum, ein Zusammenschluss aus
mehreren sozialen Organisationen, erstellt. Zur Zeit aktualisieren
wir ein Register, in dem alle Anlaufstellen für Obdachlose,
misshandelte Frauen oder Kinder in Pretoria aufgezeichnet sind.
Ein anderes Projekt hat
direkt mit den Obdachlosen zu tun: Schach spielen. Mindestens zweimal
die Woche setzen wir uns mit interessierten Männern zusammen und
spielen Schach. Ich glaube, die Abwechslung tut ihnen gut, einige
bleiben bis mittags bei uns sitzen und wollen ein Spiel nach dem
anderen spielen.
Beim Homework Center bin
ich nur noch zweimal die Woche, da Frieda und ich uns die Tage
aufgeteilt haben. Mittlerweile sind offiziell 11 Kinder eingetragen,
meist sind aber nur 7-8 wirklich da. Bei einigen kann man wirklich
sehen, wie sie sich verändern und sich vor jüngeren Kindern, die
noch nicht so lange da sind, sehr reif und vorbildlich benehmen,
obwohl sie letztes Jahr nur Radau gemacht haben. Den Prozess zu
verfolgen ist wirklich interessant und letzten Endes macht mir das
Homework Center trotz
aller Anstrengungen Spaß.
... dann das Vergnügen!
Urlaaaaub! Kaum zu fassen,
dass der Urlaub schon wieder zwei Monate her ist. Wir sind mit dem
Bus nach Kapstadt, haben dort ein paar Tage verbracht und sind dann
die Garden Route bis nach Port Elizabeth gefahren, also praktisch die
Südküste lang. Es ist echt unglaublich, wie sehr sich dieser Teil
von Südafrika von "unserem" Pretoria unterscheidet. Sehr
weiß, sehr touristisch, aber ebenfalls sehr schöne Landschaft! Und
natürlich musste ich auch ein paar Touridinge mitnehmen.
Unter anderem mein
Geburtstagsgeschenk der WG: der welthöchste Bungeejump von einer
Brücke! Etwa nach der Hälfte des Urlaubs war es soweit. Adrenalin
pur! Runter ist für mich also gar kein Problem - rauf schon, wie ich
bei meinem 4 stündigen Anstieg auf den Tafelberg gemerkt habe.
Wandern macht echt Spaß. Eigentlich. Nicht, wenn man Stufen
hochkraxelt, die einem fast bis zur Hüfte gehen und einem die Sonne
morgens um halb 8 mit 35 Grad auf den Kopf knallt. Oben angekommen
war es schön, aber ab jetzt werde ich mir zweimal überlegen, ob ich
einen Berg besteige und wenn, welchen Weg. Es gibt nämlich schönere
den Tafelberg hoch, die auch
Schatten bieten oder einen
Damm zum baden.Trotz des wunderschönen Urlaubs, in dem wir auch die
weltbeste Tomatensuppe in Knysna gegessen haben, war ich froh, wieder
Zuhause zu sein. Das Meer vermisse ich aber doch, habe ich gemerkt.
Es war angenehm, eine
Auszeit zu haben und einen komplett anderen Teil von Südafrika zu
sehen. In fast jeder Hinsicht ist die Garden Route so gar nicht das,
was wir von hier kennen, und nach zwei Wochen war mir klar, dass ich
unsere Perspektive auf das Land für dieses Jahr eindeutig lieber
habe.
Kommen wir zu meinem
Lieblingsteil: Die Politik!
Die letzen Wochen hat sich
hier einiges getan. Studenten im ganzen Land gehen auf die Straße,
um gegen die horrend hohen Studiengebühren zu protestieren. Bei den
Union Buildings in Pretoria war eine riesige Demo, die auch Zuma
besuchen wollte. Als der Präsident trotz seines Versprechens nicht
aufgetaucht ist, gab es Randale: Dixiklos wurden angezündet, Leute
mit Steinen beworfen, Rassisten haben ihre Meinung verkündet.
Auch Zuma ist noch mehr in
Kritik geraten als sowieso schon: von mehreren Millionen Rand
Steuergeldern hat er seine privaten Sicherheitsvorkehrungen
verbessert und sich einen riesigen Pool bauen lassen. Als er mit
seinem Finanzminister nicht mehr zufrieden war, hat er ihn gefeuert
und einen neuen
eingestellt. Wenig später noch einen. Und noch einen. Drei
Finanzminister innerhalb einer Woche wurden ersetzt. Einer war
unfähig, der nächste hat Zuma kritisiert. Der Rand stand
zwischenzeitlich bei 20. Zum Vergleich: vor wenigen Jahren hat man
für einen Euro R9-10 bekommen, als wir ankamen R14-15. Also wird
auch alles in den Supermärkten etwas teurer, was sich ein Großteil
der Bevölkerung einfach nicht leisten kann.
Erst vor Kurzem haben wir
wieder eine Demonstration mitbekommen, die Zuma propagiert. Hunderte
Menschen mit gelben Shirts, die "Hands off Zuma" verlangen,
tanzen zu Musik, singen und reißen immer mehr Passanten mit sich.
Einige Leute, mit denen ich gesprochen habe, unterstützen Zuma nicht
und laufen auch in der Demo nicht mit, singen und tanzen aber
trotzdem, wenn andere vorbeikommen, einfach nur aus Spaß an der
Musik. Im Nachhinein wurde mir gesagt, dass viele Demonstranten
gekauft wurden, um Stimmung zu machen.
Bei den nächsten Wahlen
stehen die Chancen gut, dass Zuma weniger Stimmen bekommt als vorher,
aber es gibt leider keine vernünftige Alternative, die zur Wahl
steht. Es bleibt also nur, das kleinere Übel zu wählen.
Das vorerst letzte
Thema: Freizeit.
Meistens bin ich nach der
Arbeit froh, nach Hause zu kommen und nichts mehr tun zu müssen. Das
Klima sorgt zusätzlich dafür, dass man nicht sehr motiviert ist,
irgendwelche großen Sachen zu tun, also bleibt es unter der Woche
meist beim Einkaufen, kochen und ab und zu ins Kino gehen. Dazu
kommt, dass es im Central nicht wirklich die Möglichkeit gibt, ein
Hobby anzufangen, also müsste man regelmäßig umständlich irgendwo
hinfahren und dazu habe ich mit zweimal die
Woche abendlicher Arbeit
keine Zeit.
Wir haben aber
mittlerweile einige Leute kennengelernt, mit denen wir am Wochenende
was unternehmen. Wir erkunden weiterhin verschiedene Bars und Clubs,
planen aber auch Besuche bei oder von anderen Freiwilligen. Ich nehme
mir auch vor, mehr Aktivitäten am Wochenende zu machen, aber dazu
ist es meist zu heiß.
Außerdem wurden wir von
einem Kollegen zum Cricket mitgenommen. Wir haben Arno 7 Stunden lang
zugesehen, wie er eine der hier populärsten Sportarten ausführt,
und waren uns einig, nächstes Mal lieber zu einem Rugbyspiel zu
gehen. Sieben Stunden haben wir weiß angezogenen Afrikaanern (also
den Weißen) mit Bügelfalte in der Hose zugesehen, wie sie ab und zu
einen Ball übers Feld schlagen. Ein paar andere waren in der
gleichen Zeit bei einem Rugbyspiel und waren hellauf begeistert; das
ist dann mein Ziel für die nächste Sportart, die ich mir ansehe.
Nach einem halben Jahr, in
dem einiges zur Routine geworden ist, kann ich ruhigen Gewissens
sagen, nichts zu bereuen. Ich habe das Land lieben gelernt, auf seine
ganz eigene Weise, und Deutschland kommt mir weit weg vor. Ist es
auch, aber auch vom mentalen her ist die Vorstellung im Moment
schwer, in einem halben Jahr wieder abzureisen und ins kalte,
regnerische, steife Deutschland zurückzukehren. Es ist hier einfach
komplett anders, und das genieße ich. Fremde Kulturen, ein paar
Brocken fremder Sprachen lernen und weit weg vom deutschen Alltag zu
sein bestärkt mich auch immer mehr in meiner Entscheidung für mein
späteres Leben, Medizin zu
studieren.
Ich freue mich auf die
nächsten sechs Monate, die wahrscheinlich ebenso wie die letzen wie
im Flug vorbeigehen werden.
Wir haben hier übrigens
immer noch Mitte dreißig Grad.
Liebe Grüße ins immer
noch kalte Deutschland!
Theresa
(Die Bilder kann ich im Moment nicht einfügen, das Internet ist nicht gut genug - später!)
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