Sonntag, 27. Dezember 2015

WARMES WEIHNACHTEN

Die letzten Wochen haben wir uns alle auf Weihnachten eingestellt. Es wurden Plätzchen gebacken (mein Teig war nicht so gut, dann ist Rosinenbrot draus geworden), Weihnachtssterne gebastelt und die Jungs haben in einem riesigen Einkaufsladen einen kleinen Plastiktannenbaum gefunden.
Auch bei TLF rückte Weihnachten immer näher: Das holiday program war letzte Woche vorbei und wir waren alle froh, nach drei Wochen wieder durchatmen zu können. Es hat Spaß gemacht, aber war auch unheimlich anstrengend, wenn von allen Seiten ein „Mam, he beats me!“ – „Mam, she’s lyiiiiiiiiing!“ kommt. So waren wir alle froh, Freitag früh nach Hause und einfach nur gar nichts machen zu können – jedenfalls bis abends, denn da sind die meisten ins Ty’s gefahren, einem Club in Menlyn.

Am Sonntag begann dann offiziell Christmas in the Park, ein von TLF organisiertes Event, bei dem jeder herzlich eingeladen ist, der Lust hat. Sonntag fing es an mit einem kleinen Gottesdienst. Wir haben uns im Burgers Park getroffen und gesungen, gebetet und uns eine Bibelgeschichte angehört. Danach gab es für jeden eine Kerze, die wir anzünden wollten – Betonung auf wollten, denn leider fing es genau in dem Moment an zu stürmen und die Kerzen sind alle wieder ausgegangen. Nach 10min voll kläglicher Versuche haben wir es dann aufgegeben und sind im Sturm schnell nach Hause gegangen. Einerseits war es schön, mal wieder einen richtigen Sturm zu haben, andererseits echt schade, da die Atmosphäre mit den Kerzen und dem Beisammensein echt schön war.
Montag fing dann das eigentliche Christmas in the Park an. Montag bis Mittwoch haben wir verschiedene Programme gehabt, die wir mit allen die wollten durchgeführt haben. Jeden Tag waren zwei andere Projekte für die Bespaßung verantwortlich. Wir haben noch einmal unseren Tanz aufgeführt (der mittlerweile echt ausgelutscht ist), die Kinder könnten Weihnachtsdeko basteln, überall standen Gemeinschaftsspiele auf den Tischen, manche Projekte haben sich richtige Spiele ausgedacht und natürlich gehört auch hier wieder Singen und Beten zum Programm. Einen großen Teil der Zeit haben wir nur rumgesessen, aber im Nachhinein war es echt gut, dabei gewesen zu sein, da man immer neue Leute kennenlernt, ich mich mit meinem neuen Coordinator das erste Mal richtig unterhalten konnte (der ist echt cool!) und man auch einfach in Weihnachtsstimmung gekommen ist. Am Donnerstag gab es Geschenke für die Obdachlosen und Kinder sowie ein richtiges kleines Festmahl.



Am Dienstag sind meine Eltern gekommen. Mit ihnen war ich in der Brooklyn Mall zum Bummeln und Einkaufen der letzten Weihnachtsgeschenke, habe ihnen TLF und unsere Umgebung gezeigt und wir waren lecker essen. Ich glaube, es hat einen ganz großen Teil der Weihnachtsstimmung ausgemacht, denn ich war die einzige, die richtige Familie an Weihnachten hier hatte und dann fühlt man sich viel mehr in der Stimmung, Weihnachten zu feiern. Außerdem war es echt interessant zu sehen, wie objektive Leute unsere Wohnung und die Umgebung sehen: Obdachlose, die sich gerade den nächsten Schuss setzen, haben wir zwar nicht gesehen, aber der Anblick unserer Wohnung hat die beiden wohl so schockiert, dass sie uns zu Weihnachten einen neuen Kühlschrank geschenkt haben. Danke noch einmal dafür, der war echt bitter nötig! Zur Erklärung: Wir haben zwar drei Kühlschränke, der eine ist jedoch kaputt, sodass nur noch das Gefrierfach funktioniert und die anderen beiden sind winzig. Jetzt haben wir alle sehr viel Platz, sodass wir wieder Sachen für den Kühlschrank kaufen können! :-)


Der Weihnachtsabend selbst war auch richtig schön. Meine Eltern und Matthew waren zum Essen da, welches Franci und Jules den ganzen Tag vorbereitet haben. Es gab Truthahn, Spätzle, Gemüse, Rotkohl, Rosmarinkartoffeln, Salat und zum Nachtisch Apple Crumble. Marina hat eine Spezialität aus dem Kongo gemacht, was wohl so ähnlich wie Grünkohl geschmeckt hat. Nach der Hauptspeise haben wir eine kurze Pause eingelegt, weil alle so vollgefressen von dem leckeren Essen waren. In der Zeit haben Frieda und Shady ein Gedicht vorgetragen, welches sie selbst über unsere bisherige Zeit geschrieben haben. Das klingt jetzt soweit recht vernünftig… war es aber nicht. J Danach haben Joni und Nik ihre bereits angekündigte Überraschung präsentiert: Die beiden haben drei Songs umgeschrieben, sodass die ziemlich witzigen Lieder „Coconachten“, „Tannenface“ und „Wigglenachten“ entstanden sind. Ich könnte jetzt beschreiben, um was es geht und wie witzig das ist, aber es ist schriftlich erst einmal unmöglich und vermutlich würde das keiner so gut finden wie wir selbst.
Dann haben wir gewichtelt. Komischerweise haben sich die Jungs gegenseitig gezogen (was wahrscheinlich ganz gut ist) und relativ viele Zimmernachbarn. Ich habe von Anna ein Kochbuch für „green food“ bekommen und neues Duschgel vom Body Shop :-) Nachdem wir meine Eltern in einem nächtlichen Spaziergang nach Hause gebracht haben, haben wir noch in meinen Geburtstag reingefeiert.
Ganz unauffällig hat Anna kurz vor Mitternacht Nik und Joni, mit denen ich gerade ein (oder zwei) Bier getrunken habe, aus dem Zimmer gewunken, und noch viel unauffälliger grinsend meinte Joni dann, er müsse mal eben auf Klo. In einer kleinen Parade sind dann alle wieder reingekommen, haben Luftballons geworfen und mir ein Geschenk überreicht: Ein Kalender mit „Wildlife of Africa“ und einen Gutschein für den weltweit höchsten Bungeejump von einer Brücke, der bei unserer Urlaubsroute auf dem Weg liegt. Mir wurde von meinen Eltern und Oma verboten, das Datum zu sagen, aber im nächsten Blogeintrag erzähle ich dann davon. :-) Eigentlich ist es echt komisch, seinen Geburtstag zu feiern, schlafen zu gehen und beim Aufwachen immer noch Geburtstag zu haben, aber das war vermutlich das einzige Jahr, in dem das überhaupt möglich ist. An meinem Geburtstag war ich morgens bei Mama und Papa im Hotel zum Frühstück und wurde nicht nur von meinen Eltern mit Girlanden und diesen bunten Papierkringeln begrüßt, sondern auch vom Küchenpersonal, die gesungen und mir ein Törtchen mit Kerze geschenkt haben. Nach dem Frühstück haben wir mit Jakob und Oma geskypet und dann ging es für mich nach Hause und für Mama und Papa zum Krüger Nationalpark. Wir sind mit der ganzen WG noch zu einem Inder gegangen, dessen Speisekarte zur Hälfte vegetarisch und einiges vegan war. Ein Paradies!

Jetzt bereiten wir uns auf den Urlaub vor. Morgen geht’s los nach Cape Town, wo wir Silvester feiern und von da aus die Südküste entlang bis Port Elizabeth fahren. Bei der Planung ist uns aufgefallen, dass gefühlt die Hälfte des Urlaub aus Wandern besteht und die andere aus sehr coolen Actionsachen. Ich melde mich dann also erst Mitte Januar wieder, wenn wir wieder da sind.

Bis dahin wünsche ich euch einen guten Rutsch!

Mittwoch, 16. Dezember 2015

KATZIIIIIS!

Unsere housemother, die unter uns wohnt, hat seit Jahren einen Kater, der sich eine wilde Freundin gesucht hat. Diese hat nun nach unscheinbarer Schwangerschaft (sie ist viel zu jung, mager, keine Milchproduktion) drei Kitten geboren. Jetzt, wo wir uns als erstes um alle drei und im Moment nur noch um das Überlebende kümmern, merke ich richtig, wie sehr ich Tiere und speziell Katzen vermisse.

Tiddles
* 01.12.2015
† 04.12.2015




Tiddles war von Anfang an das kleinste und schwächste der Kitten. Er hat zu wenig getrunken, hatte einen harten Bauch und hat am 3. Tag erst 60g gewogen. Außerdem waren seine Hinterbeine verbogen, er konnte sie nicht richtig strecken und wir vermuten eine Unterentwicklung. Trotzdem hatte er von Anfang an Biss, er hat versucht zu überleben.
Heute, an seinem 4. Lebenstag, ist Tiddles verstorben. Er hat den ganzen Tag schon die Milch verweigert und heute Mittag war sein Gesicht voll Blut, ohne ersichtlichen Grund. Heute Nachmittag hat er 1-2 Stunden, in denen nur zwei von uns da waren, gelitten. Seine Mutter hat ihn im Endeffekt erstickt.
Wir dachten gestern wirklich, dass es doch eine Chance gibt, weil er gestern superfit war, ordentlich getrunken hat und wirklich Überlebenswillen gezeigt hat. Aber vielleicht ist es nun besser so, dann muss er nicht mehr leiden und mit seinen Beinen hätte er besonders hier eh keine Zukunft gehabt...

Rosie
* 01.12.2015
† 04.12.2015





Rosie ist die Mittlere. Auch sie ist klein, hat an ihrem 3. Tag nur 80g gewogen, aber hat von Anfang an fleißig Milch getrunken und sich benommen wie ein ganz normales Katzenbaby. Wir wussten, dass sie zu klein ist, sind aber davon ausgegangen, dass sie durchkommt - bis heute Mittag. Auch sie wollte nicht trinken, hat partout den Kopf weggedreht und die Milch wieder ausgespuckt. Gerade das hat uns Sorgen gemacht, denn eigentlich hat sie immer sofort angefangen wie wild zu saugen, wenn die Flasche erst einmal im Maul war. Heute Mittag war dann ihr Gesicht blutig, sie hat sich gewunden. Zwei Stunden später bei der nächsten Kontrolle lag sie stocksteif da, sie muss schon in der Totenstarre gewesen und kurz nach meinem Besuch gestorben sein.
Besonders die Tatsache, dass sie vor Tiddles gestorben ist, hat uns sehr geschockt, da sie eigentlich gute Überlebenschancen hatte. Das hat uns nochmal in der Vermutung bestärkt, dass von Anfang an irgendetwas nicht stimmte, eventuell mit den Organen, denn besonders Tiddles und Rosie sahen einfach nur unterentwickelt aus.

Cesar
* 01.12.2015





Cesar sieht als einziger von Allen wie ein richtiges Kätzchen aus. Er trinkt bei der Mutter, wächst ordentlich und wog an seinem 3. Tag 140g. Nicht optimal, aber im Gegensatz zu den anderen beiden riesig. Und wir können ihm praktisch beim Wachsen zugucken. Er mag nicht aus der Flasche trinken, weil er bei Mama genug bekommt, und er ist auch der einzige, den Mama von Anfang an ordentlich beschützt hat. Nun ist er alleine bei ihr und wir versuchen unser Bestes, auf sein Gewicht und Nahrungszufuhr zu achten. Er ist in den zwei Wochen, die er jetzt lebt, extrem gewachsen und wir freuen uns alle, wenn er anfängt zu laufen. Die Augen hat er schon geöffnet!

Mama
* ??? -> jung!



Mama ist sehr jung. Man hat ihr die Schwangerschaft nicht angesehen, obwohl sie so mager ist. Sie lebt auf der Straße und hat kein Zuhause, wird auch bei unserer housemother nicht bleiben können, da eigentlich Tiere komplett verboten sind und Esmes Kater schon hier wohnen darf. Sie ist sehr unerfahren, gibt aber ihr Bestes und versucht zumindest eines ihrer Babys, Cesar, durchzubringen. 


UND DIE ZEIT FLIEGT

(Von vor 2 Wochen... Ups, die Zeit vergeht schnell!)
Letzte Woche war ausnahmsweise auch arbeitsmäßig viel los. Da Joni und ich bei Akanani Dienstag eine Session zum Thema "life skill: communication" halten sollten, mussten wir uns auch Montag noch vorbereiten. Es lief eigentlich ganz gut; wir haben ein Plakat gestaltet und nach dem Vortrag mit drei Obdachlosen Jobinterviews geübt. Da haben wir wieder gemerkt, wie groß die Unterschiede sind: An Dinge, die für uns selbstverständlich sind, müssen sich die Männer erst gewöhnen. Auf Fragen wie "Was sind deine Stärken und Schwächen" kam oft eine Antwort wie "Keine Ahnung", "Hab ich nicht", "Ich kann nicht unter Druck arbeiten", einer hat sogar erzählt, dass er seinen letzten Job wegen Probleme mit dem Chef verloren hat. Wenn wir wieder dran sind mit dem Workshop, was erst nächstes Jahr der Fall sein wird, werden wir auf jeden Fall Interviews mit den Männern üben und vorbereiten, da ein Job hier wirklich schwer zu kriegen ist, wenn man sich nicht vernünftig präsentiert. Den Dienstag haben wir also komplett mit dem Workshop, Suppe holen und Outreach verbracht. Wir waren wieder bei den Flüchtlingen, die dieses Mal nicht komplett überstürzt waren, aber trotzdem noch hungrig. Auch Donnerstag waren wir wieder dort, haben übrig geliebenes Brot verteilt und das erste Mal die Leute dort bei Tageslicht gesehen. Sie wohnen in einem ehemaligen Hotel, das seit Jahren leersteht und auch so aussieht. Außerdem hatten wir ein Meeting in einer Kirchengemeinschaft, die sich ebenfalls für Obdachlose engagiert und ein Schachturnier organisiert. Daraufhin haben wir Schachbretter bekommen und angefangen zu üben. Ich habe zwei Spiele gespielt; das erste eindeutig gewonnen, nachdem mein Gegner (ein Arbeitskollege) erst eine große Klappe hatte, das zweite nach ein paar Sekunden verloren, weil ich einfach keine Strategien kenne.

Mittwoch waren wir bei Elodie und Esmeralda, zwei Französinnen, die einige Zeit bei TLF gearbeitet haben. Die beiden wohnen in der Nähe von Groenkloof in einem riesigen Haus! Im Wohnzimmer stehen hunderte Weinflaschen an der Wand neben einem riesigen Fernseher, es gibt einen kleinen Pool neben einer großen Terrasse mit atemberaubendem Ausblick. Sie teilen sich das Haus mit mehreren Leuten, sind aber weniger als wir in einem größeren Haus und können das Auto von einem Mitbewohner nutzen. Ein wunderschönes Haus in schöner Gegend, aber wohnen würde ich da ehrlich gesagt nicht wollen. Es ist nicht die Art Südafrika, wie es bei uns ist, man lebt halt eher in der wohlhabenden, westlichen Welt und kriegt von den Problemen nicht viel mit. 

Am Donnerstag hatten wir ein meeting für das holiday program, welches nächste Woche startet. Wie immer sehr spontan und wie sich herausstellte, war noch nichts geplant. Ausnahmsweise war das aber überhaupt kein Problem, denn die erste Woche besteht sowieso nur aus Proben für ein Theaterstück, welches Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Umgebungen am Samstag nach der ersten Woche bei der graduation von den Kindergartenkindern von Inkululeko aufführen sollen. Anstrengend war es trotzdem, denn wir mussten alle Kinder, die nicht auf der Bühne waren (also je nach Szene 20-50) beschäftigen, verarzten, Streit schlichten etc. Umso besser, dass wir einen day off nehmen konnten, denn das Wochenende vorm Holiday program war retreat von ganz TLF.

Wir sind mit der ganzen Organisation wieder ins Goodland Estate gefahren - das heißt, ich bin gefahren. Nina hat mich gebeten, zusammen mit dem Welcoming Team am Freitag schon um 7 Uhr loszufahren, nicht mit den anderen um 9. Im Endeffekt habe ich dann meine Geduld testen müssen, denn wir sind erst 09:15 losgefahren... Glücklicherweise habe ich mich mittlerweile so auf Südafrika eingestellt, dass mich das überhaupt nicht gestört hat. Im Estate angekommen haben wir dann alles schön hergerichtet, Welcome-packs vorbereitet und kurz danach sind auch die anderen eingetroffen. Das Wochenende war echt schön, wir haben uns innerhalb der Organisation alle echt gut kennen gelernt und hatten in Kleingruppen verschiedene Aufgaben, die uns auch in der WG wieder gestärkt haben, bspw. eine Brücke aus Eisstielen bauen. Unsere Brücke war super! Wir haben nicht nur die Brücke gebaut, sondern auch ein Geländer außenrum und einen kleinen Mann mit langen Haaren, Rock und einem Bier in der Hand. Man muss ja schließlich die deutsche Kultur verteidigen. :-) Außerdem hatten wir Zeit, um in die Natur zu gehen und einfach nur nichts zu machen. Wir haben uns also jeder einen Stein weit abseits vom Weg gesucht (meiner sah aus wie der Königsfels aus König der Löwen), uns hingelegt und einfach nur der Natur gelauscht. Das habe ich echt vermisst: Ruhe, Vogelgezwitscher, keine Autogeräusche, das Summen von hunderten Insekten, die leider auch meist direkt auf deiner Nase landen. Den Samstag hatten wir auch ein Lagerfeuer, haben südafrikanische Lagerfeuerlieder gesungen und Spiele gespielt. Wir hatten ursprünglich den Plan, draußen zu schlafen, aber ich hatte keine extra Decke wie Caro und Lene und bin deswegen gegen halb 5 wieder in mein Bett gegangen, weil es echt extrem kalt war.

(aktuell)
Die erste richtige Woche vom holiday program war wieder anstrengend. Zum Glück hatten wir nicht so viele Kinder, weswegen in den Kleingruppen nur 5-6 Kinder waren, aber wie Kinder dann so sind, hat das auch gereicht. Wir haben verschiedene Workshops vorbereitet, in denen wir für die talent show morgen geprobt haben. Es gibt ein Theaterstück, Gedichte, einen Tanz und Akrobatik. Weil es letzte Woche aber extrem heiß war, haben wir teilweise komplett auf unser Programm verzichtet und die Kinder in kleinen Pools planschen lassen. Die Begeisterung war groß - genau wie das Gemecker, wenn nach 10min ein Wechsel war, da immer nur 5 Kinder gleichzeitig in einen Pool konnten. :-) Die Zeit war echt am anstrengensten, aber für die Kinder am besten, und so soll es schließlich auch sein. Die Pools haben Franci, Matthew und mir auch einen Einblick in ein Krankenhaus verschafft: Matthew hat sich den Nacken an einer Bank angehauen, woraufhin wir einen Krankenwagen gerufen haben. Der Rettungssanitäter, der kam, war halb deutsch und halb südafrikanisch. Der erste Satz war "Seid ihr Deutsch?", was uns sehr überrascht hat. Ich durfte hinten im Krankenwagen mitfahren und zusammen mit Franci 3 Stunden im Krankenhaus gewartet, bis die Ergebnisse kamen - zum Glück ist nichts passiert. Das Krankenhaus war sehr sauber und vom Aufbau etwas amerianisch. Matthew wurde in einen großen Raum gefahren, der in verschiedene, mit Vorhängen abtrennbare Abteile aufgeteilt war. Wir mussten in der Zwischenzeit eine Akte für ihn anlegen und dann in einem Wartezimmer warten. Dort haben wir auch die ersten richtig schön geschmückten Tannenbäume gesehen - bei 35°C im Schatten. Merry Christmas!


Richtig in Weihnachtsstimmung bin ich aber wirklich schon gekommen: Wir hatten ein Christmas breakfast von TLF, wobei wir gewichtelt haben. Ein Baum wurde mit bunten Tüchern umwickelt, es gab ein großes Buffet und ein Musiker hat Lieder gespielt. Beim Wichteln habe ich eine Südafrika-Kette bekommen. :-)

Am Wochenende waren wir mit allen zusammen in der Menlyn Mall, da Lyndsey morgen für ein paar Wochen nach Hause fliegt und wir ihren Abschied "gefeiert" haben. Wir haben die ersten Weihnachtsgeschenke gekauft, zusammen gegessen und waren im Kino - wobei wir uns bei letzterem aufgeteilt haben. Ein paar haben einen Weihnachtsfilm geguckt, ein paar andere Frankenstein. Ratet mal, in welchem Film ich war. :-)
Jetzt komme ich gerade von einem women's camp wieder, welches das TPH für die Frauen organisiert hat. Es war kein Camp im eigentlichen Sinne, eher eine Art Auszeit von allem. Wir waren in einem schnuckeligen Hotel (Lagai Roi in Mooinooi) mit Pool, komplett abgelegen, und haben uns schön entspannt. Frieda und ich mussten gestern morgen spontan auf die Kinder aufpassen, was wohl für beide Seiten nicht so schön war: Die Kinder waren schnell gelangweilt und sind dauernd weggelaufen, Frieda und ich wussten etwa 10min vor Beginn, dass wir auf die Kinder achten müssen, und waren dementsprechend wenig vorbereitet. Der Ausgleich war dann das gute Essen, eine wunderschöne Umgebung mit komischen Käfern und Vögeln, die Geräusche machen wir ein abgewürgtes Auto (nur metallischer, als ob ein DJ den Sound aufsetzt). Alles in allem ein paar schöne Tage, wir konnten uns entspannen und in gemütlichen Betten schlafen.

Und jetzt ist in einer Woche schon Weihnachten und in keinen zwei Wochen unser erster richtiger Urlaub... Die Zeit geht total schnell rum. Was mich aber wundert ist, dass ich trotz der Hitze doch etwas in Weihnachtsstimmung bin. Vielleicht liegt das daran, dass Mama und Papa kommen und das ein Stück weit Zuhause bedeutet, aber auch so ist es ganz schön. Anna und ich haben unser Zimmer weihnachtlich dekoriert (Danke an Annas Eltern, die Deko ist super!) und gestern wurden die ersten Kekse gebacken.
Ich bin gespannt, wie die nächste Woche wird!

Donnerstag, 3. Dezember 2015

1. QUARTALSBERICHT

Das erste Stück vom Kuchen

In ein paar Tagen werde ich meine Zahnbürste wegwerfen. Vier hatte ich im Gepäck, eine für drei
Monate, wie vom Zahnarzt empfohlen. Und schon ist es soweit, die Zeit ist wie im Flug vergangen.
Ich kann kaum glauben, dass schon drei Monate um sind.
Als wir hier ankamen, war natürlich erst einmal alles neu: Die Leute mit denen ich zusammen
wohne. Die Wohnung selbst mitsamt der Umgebung. Die Arbeit. Eine andere Sprache, bzw. 11
andere Sprachen.
Fangen wir von vorne an. Nach einer gefühlten Ewigkeit sind wir im Museumspark angekommen.
Wir müssen lustig ausgesehen haben, 11 Deutsche, angezogen wie es sich im kalten Flugzeug
gehört. Mit unseren Jacken und Fleecepullovern standen wir bei 25 Grad abends um sechs vor
unserer neuen Wohnung. Wir hatten gerade Bekanntschaft mit dem Chana gemacht, dem Auto von
Akanani, das vor einigen Jahren schon schrottplatzreif war, und waren dementsprechend froh, die
Fahrt bei Gewitter überlebt zu haben. Sowieso mega aufgeregt, weil schließlich ein Jahr Südafrika
vor uns liegt. Sogleich kamen Frieda und Lisa aus der Tür, die schon eine Woche vor uns ankamen.
Wir verbrachten den Abend mit Kennenlernen und dem Einrichten der Zimmer. Unsere Wohnung
ist sehr alt, etwas heruntergekommen und gezeichnet von den vorherigen Freiwilligen, sie hat also
Charakter. Nach und nach haben wir in den drei Monaten schon unsere Note hinzugefügt und auch
die Tücken kennen gelernt, die wir immer wieder finden: Den Herd darf man nicht gleichzeitig mit
dem Fön benutzen, außerdem nicht die falschen Herdplatten und von den zwei Öfen funktioniert
nur einer. Die Tür von der Toilette im Badezimmer konnte man anfangs nicht abschließen
(mittlerweile haben wir ein Schloss) und der Wasserhahn im großen Bad ist undicht. Aber wir haben
die Wohnung lieben gelernt! Als Marlies meinte, dass wir eventuell umziehen in eine andere
Wohnung, haben wir sofort alle abgelehnt. Trotz einiger Macken fühlt man sich total wohl, richtet
sich nach und nach immer mehr ein und gewöhnt sich an das ständige Miteinander, was auch besser
funktioniert, als ich erwartet habe. Mein ganzes Leben lang habe ich mit meinen Eltern verbracht,
mit nie mehr als drei anderen Leuten im Haus, Besuch ausgeschlossen. Jetzt sind plötzlich 12 um
mich: zehn Deutsche, eine englische Krankenschwester und eine Studentin aus dem Kongo. Im
Wohnzimmer ist immer jemand, und auch in Annas und meinem Zimmer findet man keine Ruhe.
Wir nutzen das öffentliche WLAN der Stadt, welches noch nicht überall funktioniert. In unserem
Zimmer hat man super Empfang, weswegen ich regelmäßig jeden Abend mein Bettlaken wieder neu
aufziehen muss, weil so viele Leute immer vom Bett rutschen. Von Ruhe kann man in der WG also
nicht reden, aber da gewöhnt man sich schnell dran. Zum Glück sind auch alle sehr nett, es ist
keiner dabei dem ich aus dem Weg gehen muss, weil wir uns streiten würden. Und bei so vielen
Leuten ist es auch einfach, mit anderen etwas zu unternehmen, wenn man auf die einen zeitweise
keine Lust mehr hat.



Mit uns im Museumspark, aber in anderen Wohnungen, leben außerdem viele Künstler, die
freitagabends regelmäßig Musik machen. Wir setzen uns dann runter, trinken ein bisschen was und
unterhalten uns mit den Künstlern und Besuchern. Nach drei Monaten haben wir auch unter denen
schon Freunde gefunden, mit denen wir uns treffen. Es ist eine angenehme Abwechslung, neben den
Arbeitskollegen auch mal andere Menschen um sich zu haben, vor allem weil die Künstler alle sehr
speziell sind - im positiven Sinne.
Was mich zum nächsten Teil bringt: Die Arbeit. Nach der Ankunft habe ich die ersten zwei Monate
ausschließlich im Potters House verbracht, einer Unterkunft für Opfer häuslicher oder
geschlechtsbasierender Gewalt. 23 Frauen mit 20 Kindern haben Platz im Potters House, die Betten
sind eigentlich immer alle belegt. Die Geschichte der Frauen sind alle unterschiedlich, aber doch
ähnlich: Vergewaltigung teilweise mit AIDS als Folge, versuchter Mord, schlagende Partner,
Unterdrückung, Stalking. Jede einzelne Frau hat eine Vergangenheit, die man seinem schlimmsten
Feind nicht wünscht, und fast alle haben Kinder, egal ob 20 oder 40 Jahre alt. Da fragt man sich
schon manchmal, ob die Kinder geplant waren oder das Ergebnis von Vergewaltigung... Zusammen
mit den anderen Arbeitern im Potters House haben Frieda und ich Workshops geplant und
durchgeführt, Laptops eingerichtet, mit denen die Frauen Computerkurse bekommen sollen, die
Bewohner vom Potters House kennen gelernt und uns nach und nach mit einigen angefreundet.
Nachmittags findet von Montag bis Freitag das Homework Center statt, bei dem wir mit zwei
Frauen erst Mittag für die Kinder vorbereiten und ihnen dann bei den Hausaufgaben helfen. Das ist
teilweise sehr anstrengend, denn auch 8 Kinder können einen Höllenlärm veranstalten. Aber
irgendwie schließt man sie doch ins Herz. Einige sind einfach unglaublich süß, andere unglaublich
anstrengend, aber alle haben sie diese Art, dass man sie einfach mögen muss. Wenn ich aus
irgendeinem Grund mal eine Woche nicht da war, vermisse ich die Kinder und freue mich, wenn ich
welche auf der Straße treffe oder wieder beim Homework Center bin. Wenn sie mal keine
Hausaufgaben aufhaben, können wir mit ihnen auch in den Park gehen, Papierflieger basteln und
spielen, was die Bindung noch mehr stärkt, und auch bei den Kinderprogrammen, bei denen wir
teilweise teilnehmen, sind viele dabei. Um die Arbeit mit Kindern kommt man hier also nicht ganz
rum, was ich aber sehr gut finde, denn anders als gedacht würde ich es vermissen, gar nichts mit
Kindern zu machen. Die Vorfreude auf die Schulferien, in denen wir ein Programm für die Kinder
auf die Beine stellen, ist also immer groß und auch der Dezember wird aus dem Holiday Program
bestehen.


Seit fast einem Monat arbeite ich nicht nur im Potters House, sondern auch bei Akanani. Akanani ist
ein Zentrum für Obdachlose, in dem Frühstück ausgeteilt wird und morgens eine kleine Andacht
stattfindet. Außerdem haben wir ein life skill program auf die Beine gestellt, mit dem wir
versuchen, die Obdachlosen wieder zum richtigen Leben zurück zu führen. Diese Woche haben Joni
und ich zum Beispiel einen Vortrag über Kommunikation gehalten und in dem Zusammenhang ein
kurzes Bewerbungsgespräch simuliert, um den Männern zu zeigen, wie sie sich verhalten, was sie
gut machen und was sie verbessern können. Dann findet Mitte Dezember ein Schachturnier einer
anderen Organisation statt, bei dem wir mit einem Team teilnehmen wollen. Also üben wir fleißig
Schachspielen, haben neue Bretter organisiert und bringen den Interessenten die Regeln und
Strategien bei. Außerdem ist ein Fußballteam in Planung, welches zweimal die Woche trainiert und
den Männern eine gewisse Struktur in ihren Tag bringt. Wir versuchen auch, sie bei der Jobsuche zu
unterstützen. Mit der Zeit gewöhnen sich die Männer an einen, unterhalten sich und bleiben auch
länger als bis nach dem Frühstück.



Dienstags und Donnerstags machen wir einen Outreach in der Nacht, was hier so viel wie sieben
Uhr abends heißt. Wir fahren mit dem Auto zu Punkten, an denen viele Obdachlose leben, und
verteilen Suppe und Brot. Teilweise habe ich das Gefühl, dass das die einzige warme Mahlzeit ist,
die die Männer die ganze Woche bekommen. Diese Woche waren wir beispielsweise bei
Flüchtlingen, und statt sich in einer Reihe an den Kofferraum zu stellen, stand plötzlich ein riesiger
Pulk hinter mir, Hände haben in den Kofferraum gegriffen und die Schalen geholt, in denen wir die
Suppe verteilen, Hungerrufe nach Suppe haben plötzlich alles übertönt. In solchen Momenten wird
mir immer klar, wie privilegiert wir es in Deutschland haben und dass die Probleme, über die wir
uns tagelang den Kopf zerbrechen, Träume von diesen Menschen sind.
Im alltäglichen Leben ist die Arbeit bei Akanani ein riesiger Vorteil. Wir lernen die Obdachlosen
kennen, sie lernen und kennen und gehen auch zwischen Konflikte, die uns auf der Straße
zwangsläufig ab und zu begegnen. Als wir zum Beispiel sehr aufdringlich nach einem Job gefragt
wurden und nach mehrmaligem Verneinen die Fragenden uns immer noch folgten, kam ein
Obdachloser und hat ihnen eindringlich erklärt, dass sie uns in Ruhe lassen sollen und wir keine
Arbeit haben. In unserer Freizeit machen wir während der Woche meist nicht so viel, weil wir nach
der Arbeit meist erst gegen vier nach Hause kommen und wir Zuhause sein müssen, wenn es dunkel
wird. Meist erledigen wir Einkäufe, spielen Spiele oder machen Sport. Die richtigen
Unternehmungen machen wir am Wochenende. Wir waren schon in einem kleinen Nationalpark,
waren auf Geburtstage eingeladen, haben selbst welche gefeiert und haben einige
Sehenswürdigkeiten hier gesehen. Zusammen mit einigen Einheimischen Freunden haben wir
natürlich auch Clubs und Bars erkundet. :-)
Einige typisch südafrikanische Dinge möchte ich zum Schluss noch mit euch teilen. Stellt euch vor,
ihr fahrt ganz normal (wobei ganz normal heißt, kreuz und quer, alle hupen und keiner achtet auf
irgendwelche Regeln oder Ampeln) über die Straße und seht einen Autositz aufgestellt zwischen
zwei Steinen. Dann wisst ihr, da ist ein stehengebliebener Bus. Andere Situation, die Anna und ich
gerade erlebt haben: Wir sitzen im Restaurant, wollen mit Karte bezahlen. Der Kellner kommt mit
dem Gerät. Zehn Minuten später sitzen wir immer noch da, weil das Gerät sich nicht mit dem Netz
verbindet. Eine Angewohnheit, an die wir uns mittlerweile gut angepasst haben: Die
südafrikanische Zeit. Meeting um 3, zehn Minuten Arbeitsweg. Wann geht man los? Natürlich. Um
3, wenn man das schafft. Mit der Zeit kann man einschätzen, welche Leute wie viel zu spät
kommen. Wir gehen meistens zum vereinbarten Zeitpunkt los und sind höchstens 15min zu spät,
Freunde von uns kommen mindestens eine halbe Stunde später. Eigentlich müsste ich diesen Brief
also erst in ein paar Tagen schreiben, aber so ein bisschen Deutsch bin ich schon noch. Ich bin
gespannt, wie die nächsten 9 Monate verlaufen, aber die Zeit fliegt und jeden Tag aufs Neue wird
mir klar, dass die Entscheidung, herzukommen, die richtige war. Die andere Kultur, die anderen
Gewohnheiten, das andere Essen - es ist einfach komplett anders, etwas, das ich so nie in
Deutschland erlebt hätte und auch in keinem anderen Land.
Ich möchte mich abschließend bei allen Bedanken, die mir dieses Jahr ermöglicht haben und mich
dabei unterstützen. Es ist eine einmalige Erfahrung, die ich nie vergessen werde. Danke dafür!